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Deutliche
Worte hat Franziskus an diesem Mittwoch zum Ende seiner Generalaudienz
gesprochen: Er rief die beteiligten Regierungsführer auf, den Krieg in der
Ukraine zu beenden und nach Friedenslösungen zu suchen.
2010 zog er sich offiziell aus dem öffentlichen
Leben zurück. Dennoch meldet er sich regelmäßig zu Fehlentwicklungen in seinem
Land zu Wort und galt als dessen moralische Instanz. Jahrelang unterstützte
Tutu unter anderem homosexuelle Paare und engagierte
sich für Aids-Kranke. 2019 empfing er den britischen Prinzen Harry und Herzogin
Meghan mit ihrem Sohn Archie. Im Juni 2020 meldete sich Tutu angesichts der
Proteste in den USA wegen des gewaltsamen Todes des Afroamerikaners George
Floyd zu Wort. Er verurteilte einen weltweiten „Alltagsrassismus“.
Es sei eine „unangenehme Wahrheit“, dass die Leben
bestimmter Gesellschaftsgruppen als wertvoller erachtet würden als die von anderen,
so die Stiftung des früheren Anti-Apartheid-Aktivisten. Floyds
letzte Worte „Ich kann nicht atmen“ sprächen „für Milliarden Menschen, die man
ihrer Rechte beraubt hat, weil sie arm, schwarz, eine Frau, homosexuell sind
oder einen ’anderen# Glauben haben“, so die Organisation des emeritierten
anglikanischen Erzbischofs.
APA/AFP/Ruvan Boshoff
Dem anglikanischen
Theologen hat Südafrika unter anderem das weitgehend gewaltfreie Ende des
rassistischen Apartheid-Systems in den 1990er Jahren zu verdanken. In all den
Jahren seines Kampfes für die Rechte der Schwarzen in Südafrika hielt Tutu am unerschütterlichen
Glauben an einen gewaltlosen Wandel und einer Aussöhnung zwischen den
Bevölkerungsgruppen fest. Auch für den Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung
sprach sich Tutu aus – um nicht „weiter die Zerstörung der menschlichen Zukunft
zu finanzieren“.
Als Leiter der Nationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission
sorgte Tutu nach dem Ende der Apartheid mit großer Ausgewogenheit und
Beharrlichkeit für Aufarbeitung der Geschichte des Apartheid-Regimes und trug
damit maßgeblich zur nationalen Versöhnung seines Landes bei.
In seinem Abschlussbericht der Kommission, die
fast 22.000 Zeugen anhörte und Berge von Archivmaterial durchforstete, warf Tutu
1998 nicht nur den Schergen des Apartheid-Regimes schwere Menschenrechtsverletzungen
vor, sondern kritisierte auch Mitglieder des inzwischen regierenden
Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) wegen einer Reihe von Gräueltaten.
Durch seine zahlreichen Auslandsreisen und Publikationen,
in denen er den wirtschaftlichen Boykott seines Landes forderte, gelang es dem
charismatischen und gewandten Redner, die Weltöffentlichkeit zunehmend für die
innenpolitische Situation in Südafrika zu interessieren.
Reuters/Sumaya Hisham
Den Höhepunkt seiner geistlichen Karriere erreichte
Tutu 1986, als er zum Erzbischof von Kapstadt und damit als erster Schwarzer
zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche in Südafrika ernannt wurde. Für die
schwarze Bevölkerung wurde Tutu schnell zum Volkshelden, aber auch viele weiße
Südafrikaner waren fasziniert von seinen Ideen einer Aussöhnung der südafrikanischen
Gesellschaft. Als dann Präsident Frederik Willem de Klerk im Herbst 1989 den
Dialog mit der schwarzen Bevölkerung aufnahm, war Tutu einer seiner ersten
Gesprächspartner.
Für seinen Einsatz wurde Tutu vielfach ausgezeichnet.
2013 erhielt er den Bilbao-Preis der UNESCO zur Förderung der Menschenrechte,
1984 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Weiters
erhielt er den Martin-Luther-King-Preis, den in den USA verliehenen
katholischen Friedenspreis „Pacem in Terris Award“ sowie mehrere Dutzend Ehrendoktorwürden. Eine
davon wurde Desmond Tutu im Juni 2009 von der Universität Wien verliehen.
Mit dem ihm eigenen Humor meinte Tutu im Jänner 1997, als
bei ihm Prostatakrebs festgestellt wurde: „Es hätte schlimmer kommen können: Ich
hätte mein Gedächtnis verlieren können!“ Gesundheitlich erholte er sich wieder,
obwohl er ab 2015 mehrfach ins Krankenhaus musste.
Als er sich 2016 in einer Videobotschaft an den
Welt-Aids-Kongress wandte, schien er mager, aber ungebrochen scharfen Verstandes.
Bereits deutlich gebrechlich präsentierte er sich im September 2019 noch einmal
in der Öffentlichkeit, als ihm der britische Prinz Harry in Kapstadt seine Familie
vorstellte und er dem kleinen Sohn Archie einen Kuss auf die Stirn hauchte.
Tutu hinterlässt seine Frau Leah, einen Sohn und
drei Töchter. Seine letzten 24 Stunden würde er gerne mit seiner Familie verbringen,
hatte er 2014 dem Magazin „Cicero“ gesagt – und mit etwas Augenzwinkern
hinzugefügt: „Ich werde ihnen sagen, dass sie auf sich aufpassen und
füreinander sorgen sollen – besonders für ihre Mutter; andernfalls werde ich
zurückkehren und sie heimsuchen!“
Ein Nachruf von Norbert
Arntz
Nach
langen Jahren des Schweigens, am Ende eines reichhaltigen und viele
andere bereichernden Lebens ist Hans Küng am Osterdienstag gestorben. Gemeinsam
wollen wir als ITP ihn hier erwähnen. Das meint „Conmemoratio“;
das macht ihn gegenwärtig. Die Erinnerung an jeden Toten ist ambivalent. Sie vermag zwar
dankbar vergangene Episoden ins Bewusstsein zurückholen, kann den Toten
aber nicht zum Leben erwecken. Die Anwesenheit der Erinnerung macht die Abwesenheit des Erinnerten
nur umso schmerzlicher bewusst. Was war, ist gewesen und wird nicht mehr sein
können. Daher empfinden
wir mit der Dankbarkeit zu gleich Trauer und Melancholie.
Hans Küng bei der Konziliaren Versammlung 2012 in Frankfurt am Main aus Anlass
des 50. Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils, die das ITP mitveranstaltet hat. Foto: Ralf Heinrichs.
Doch weil das, was ist, nicht alles ist, erinnern wir uns – zusammen mit dem toten
Hans Küng – zugleich eines Versprechens, für das er sein Leben verpfändet hat:
Christ
sein bedeutet: In der Nachfolge Jesu Christi in der Welt von heute wahrhaft
menschlich leben, handeln, leiden und sterben – in Glück und Unglück, Leben und
Tod gehalten von
Gott und hilfreich den Menschen.
Für
dieses „Glaubensbekenntnis“ gibt es ein Versprechen, auf dem wir mit Hans Küng
beharren: Einmal wird der Tod nicht mehr sein, ist versprochen. Einmal werden
Trauer und Klage nicht mehr sein, ist versprochen. Einmal werden die Toten leben, ist
versprochen. Einmal wird es sein, dass die Wüste blüht und die Steppe jubelt.
Einmal wird es sein, dass die Tränen getrocknet sind und dass ein Lachen auf
unseren Lippen ist, das nicht mehr auf Kosten anderer gelacht wird. Weil wir
die Opfer nicht Opfer sein lassen können, sagen wir, dass der Tod entmachtet
ist – jetzt schon!
Also leihen wir uns bei den Toten diese Sprache, die eher
Fremd-Sprache als eigene ist. Aber angesichts des Todes ist jede Fremdsprache besser
als die Stummheit. Neben der Hoffnungssprache der Bibel auch die des nunmehr
toten Hans Küng. Wir lesen noch einmal die Worte, die er bei einer unserer
letzten Begegnungen an uns gerichtet hat. Am 18. Oktober 2012 eröffneten wir in
Frankfurt/Main die Konziliare Versammlung zum
Gedenken an die Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils fünfzig Jahre zuvor.
Unter der Maxime „Hoffnung und Widerstand“ versammelten sich in der Paulskirche
wenige Monate vor dem Pontifikatswechsel mehr als tausend
Menschen. Dabei hielt Hans Küng uns die Rede, deren ersten und letzten
Abschnitt wir hier noch einmal zitieren. Sie ist für uns – neben vielem anderen
aus seinem Wirken – ein Vermächtnis:
„Als
altes Schlachtross
im Kampf um das Konzil danke ich Ihnen, liebe Freundinnen und Freunde, meine
Damen und Herren, dass Sie mich noch als kampfestüchtig und kampfesfreudig
einschätzen. Gemeinsam sind wir stark, und ich freue mich, dass es gelungen
ist, kleine Reformgruppen und große Reformbewegungen zu versammeln: vom Institut für
Theologie und Politik (Münster) bis zur KirchenVolksBewegung „Wir sind Kirche“,
zur Initiative „Kirche von unten“, zur Leserinitiative „Publik-Forum“ und viele
andere aus dem Inland und sogar dem Ausland. Denn Kirchenreform und
Gesellschaftsreform, Ökumenismus ad intra und
Ökumenismus ad extra gehören zusammen. Und ich freue mich, gerade hier in der
Paulskirche, dem Tagungsort des ersten verfassungsgebenden Parlaments von
Deutschland, sprechen zu dürfen. Möge dieser für die deutsche Demokratie
repräsentative Bau, der in einem mörderischen, verbrecherischen Krieg zerstört
und doch nach 1949 wieder aufgebaut wurde, zum Symbol werden auch für die
weithin zerstörte und wieder von unten aufzubauende ursprüngliche
Demokratie in der katholischen Kirche. […]
Ich darf für mich das Wort Friedrich Schillers
in Anspruch nehmen: Ich habe „die Träume meiner Jugend nicht verraten“: nicht den
Traum von einer Erneuerung der Kirche und einer Einheit der
christlichen Kirchen, nicht den Traum vom Frieden zwischen den Religionen und
Zivilisationen und nicht den Traum von einer echten Gemeinschaft der Nationen.
Diese Träume mögen jetzt von den nachfolgenden Generationen geträumt werden,
und ich hoffe, dass das Wort des Propheten Joël vom Ausgießen des Geistes
Gottes in neuer Weise in Erfüllung geht: „Und Eure Söhne und eure Töchter
werden weissagen, eure Alten werden träumen, eure jungen Männer aber werden
Visionen haben“ (Joël 3,1). Ich wünsche Ihnen allen von Herzen: Lassen Sie sich
bei allen Enttäuschungen nicht entmutigen. Kämpfen Sie zäh und tapfer weiter in
vertrauendem Glauben und bewahren Sie angesichts aller Trägheit, Torheit und
Resignation die Hoffnung auf eine Kirche, die wieder mehr aus dem Evangelium
Jesu Christi lebt und handelt. Und vergessen Sie bei allem Zorn, Streit und
Protest die Liebe nicht!“
Friedensbildung
Initiativen und Beispiele für
Abrüstung und Konfliktlösung haben der Vatikan und die SOAS University of London bei einem Webinar am Dienstag
vorgestellt. Anlass war der Aufruf von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zu einem „sofortigen weltweiten Waffenstillstand“.
Guterres hatte sich vor einem Jahr, zu Beginn der Coronavirus-Pandemie
geäußert. Umfassende Abrüstung sei auch notwendig, um Ressourcen für das Gesundheits-
und Sozialwesen zu gewinnen, so die Forderung zahlreicher Referenten bei dem Webinar. Organisiert wurde das Webinar
„Advancing integral disarmament
in times of pandemic“ von der Vatikanbehörde für ganzheitliche
Entwicklung.
Dabei erinnerte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin
an die jüngste Papst-Enzyklika „Fratelli tutti“, die zu
Abrüstung und Konfliktvermittlung aufruft. Kurienkardinal Kurt Koch kündigte zwei
weitere Dokumente des Vatikans zu friedensbildenden Maßnahmen an. Er, wie auch
der für interreligiösen Dialog zuständige Kurienkardinal Miguel Ayuso, bekräftigten weitere Dialogbemühungen zwischen Konfessionen
und Religionen.
Über Initiativen, Rüstungsbetriebe von der Produktion etwa von Streumunition
abzubringen, berichtete Susi Snyder von der Internationalen Kampagne zur
Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). So sei es ICAN gelungen, über den Druck von
Finanzdienstleistern selbst große US-Unternehmen davon zu überzeugen, sich aus
der Waffenproduktion ganz oder teilweise zurückzuziehen. Dazu seien neben
Demonstrationen auch der Druck von Bankkunden und Aktionären notwendig.
Greet Vanaerschot von Pax
Christi, Niederlande, berichtete über Maßnahmen zur Friedenserziehung mit Jugendlichen
in Kongo, Ruanda und Burundi, wie auch von Initiativen auf den Philippinen und
an deutschen Schulen. Jungen Menschen schon früh zu zeigen, dass und wie
Konflikte auch gewaltfrei zu lösen sind, „ist essenzieller Aspekt elterlicher,
schulischer wie religiöser Erziehung“, so Vanaerschot.
Dienstleistungsangebote zur Konfliktvermittlung und Abrüstungsverhandlungen
präsentierte Dan Plesch von der SOAS University of London. Anhand bisheriger internationaler Verhandlungserfahrungen,
Abkommen und Gesetzestexte biete die von ihm vertretene Kampagne „Strategic Concept for Removal
of Arms and Proliferation“
(SCRAP) konkrete Bausteine für weitreichende regionale wie internationale
Abrüstungsinitiativen.
Freiwerdendes Geld und eingesparte natürliche Ressourcen, so betonten auch
andere Vertreter von Religionsgemeinschaften und NRO, würden dringend benötigt
im Kampf sowohl gegen den Klimawandel wie auch gegen die Pandemie. Diese, so
die Warnung, vergrößere erneut Ungleichheiten, die wiederum Ursache für weitere
gewaltsame Konflikte werden.
In seiner Osterbotschaft 2020 hatte Papst Franziskus den Aufruf Guterres’ zu Waffenstillständen und Abrüstungsinitiativen unterstützt.
Gleichzeitig beauftragte er das von Kardinal Peter Turkson
geleitete Entwicklungsdikasterium mit der Bildung
einer Kommission. Diese soll international wie interdisziplinär Maßnahmen gegen
die Pandemie wie auch Ideen zur Stärkung alternativer Wirtschafts- und
Gesellschaftsformen sammeln und koordinieren.
red, religion.ORF.at/KAP
12. März 2021
Konferenz
Die Spitze der
österreichischen katholischen Kirche appelliert erneut und eindringlich an die
Regierung, auf den griechischen Ägäis-Inseln untergebrachte Flüchtlinge im
Rahmen einer geordneten europäischen Rettungsaktion aufzunehmen.
Österreichs Bischöfe tagten vom 8. bis 11. März virtuell im
Rahmen ihrer traditionellen Frühjahrsvollversammlung. „Österreich soll sich
jetzt daran beteiligen und dabei dem Beispiel Bulgariens, der Schweiz,
Belgiens, Deutschlands und anderer Staaten in Europa folgen“, heißt es in einer
Erklärung der Bischofskonferenz nach deren Frühjahrsvollversammlung.
„Dieses humanitäre Aufnahmeprogramm ist konkreter Ausdruck jener
Werte, für die Europa und das Christentum stehen“, argumentieren die Bischöfe.
Aus persönlichen Gesprächen mit Bürgermeistern, Gemeinden, Pfarren und
Initiativen wisse man, dass viele in Österreich bereit seien, diese Menschen
aufzunehmen, zu betreuen und zu integrieren.
„Die Kirche und viele Initiativen in ihrem Umfeld wollen sich
daran beteiligen und haben gerade in letzter Zeit ganz konkrete Angebote und
Vorschläge dazu gemacht“, hieß es. „Die österreichische Bundesregierung hat in
den vergangenen Monaten konkrete Schritte gesetzt, um der Not von geflüchteten
Menschen im Norden Syriens, aber etwa auch in Griechenland oder in
Bosnien-Herzegowina zu begegnen“, so die Bischofskonferenz weiter. Die Hilfe
vor Ort werde „ausdrücklich begrüßt“, heißt es in der Erklärung.
Dass auch in Europa derartige Unmenschlichkeiten passierten, rücke leider – nicht zuletzt durch die Coronaviruskrise – in den Hintergrund, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, im Gespräch mit der APA. Er spricht sich für einen „geordneten Eintritt“ jener, denen auch Asyl zusteht, nach Österreich ein. Lob gab es für die im Justizministerium eingesetzte „Kindeswohlkommission“ unter Irmgard Griss. Lackner: „Ich orte guten Willen.“