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KONFERENZ
ÜBER STEUERGERECHTIGKEIT UND SOLIDARITÄT IM VATIKAN
Dutzende von Vertretern nationaler Regierungen und
internationaler Organisationen kamen am 13. Februar im Vatikan zu einem
hochrangigen Dialog über „Steuergerechtigkeit und Solidarität – Auf dem Weg zu
einem inklusiven und nachhaltigen gemeinsamen Haus" zusammen. Die von der
Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften (PASS) gemeinsam mit der Unabhängigen
Kommission zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) organisierte Konferenz untersuchte die Art
und Weise, wie das heutige internationale Steuersystem die weltweite
Ungleichheit fördert. In seiner Eröffnungsrede betonte Kardinalstaatssekretär Pietro
Parolin die Notwendigkeit von „Rechtsstaatlichkeit, Unparteilichkeit und
Transparenz“ in der Steuerpolitik – Werte, die Papst Franziskus als
entscheidend ansieht, um globale Ungleichheiten zu überwinden.
Die Kernaussage der Konferenz war klar: Das derzeitige
globale Steuersystem ist nicht mehr zeitgemäß. Es begünstigt multinationale
Konzerne, vertieft soziale Ungleichheiten und erleichtert es den Wohlhabendsten,
ihre Macht zu festigen. „Steuern müssen dem Gemeinwohl dienen und gerecht
erhoben werden“, mahnte Kardinal Pietro Parolin. Doch diese Forderung sei
nicht neu – ihre Umsetzung jedoch nach wie vor schwierig. Wie die Präsidentin
der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften (PASS), Schwester Helen
Alford, betonte, sei das internationale Steuersystem über 100 Jahre alt und
nicht in der Lage, die Herausforderungen einer hochgradig globalisierten Welt
zu bewältigen.
In den Diskussionen wurde die moralische Notwendigkeit
einer gerechten Besteuerung hervorgehoben, wenn es darum geht, wirtschaftliche
Ungleichheit, Klimawandel und die Schuldenlast der schwächsten Länder der Welt
zu bekämpfen. Athena Peralta, Direktorin der Weltkirchenrats-Kommission
für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung, betonte in ihren
Ausführungen, dass es dringend notwendig sei, Steuer-Ungerechtigkeit als einen
Faktor zu bekämpfen, der zum Klimawandel und zu sozialer Ungleichheit beiträgt.
„Das skandalöse Ausmaß der Ungleichheit, das wir heute
erleben, destabilisiert auch die Bemühungen, den außer Kontrolle geratenen
Klimawandel zu bekämpfen. Die reichsten 10 % der Welt sind für fast die Hälfte
der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Der Lebensstil der Milliardäre –
Privatjets, Yachten – verursacht tausendmal mehr Emissionen als der Durchschnittsbürger.
Ihr CO2-Fußabdruck ist jedoch über eine Million Mal höher, wenn wir die Emissionen
aus ihren Investitionen mit einbeziehen. Steuergerechtigkeit muss Teil der
Lösung der Klimakrise sein“, betonte die Vertreterin des Ökumenischen Rates
der Kirchen.
Die Redner auf der Veranstaltung verurteilten die aktuellen
„Strukturen der Sünde“ – Steueroasen und Schlupflöcher im Finanzsektor
–, die es Konzernen und Superreichen ermöglichten, sich vor der Zahlung ihres
gerechten Anteils an Steuern zu drücken.
Hochkarätige Teilnehmer diskutieren die
Steuer-Ungerechtigkeit
Zu den prominenten Rednern der Tagung zählten Brasiliens
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Spaniens Premierminister Pedro
Sánchez und der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki.
Lula da Silva sagte in seiner Rede u. a.: „Gerechtigkeit
und Solidarität sind für eine inklusive und nachhaltige wirtschaftliche
Entwicklung von zentraler Bedeutung. Dies ist besonders wichtig in einer Welt,
die in den letzten Jahren erhebliche Rückschläge erlebt hat. Der Frieden ist in
mehreren Teilen des Planeten bedroht. Die Demokratie erlebt derzeit ihren
kritischsten Moment seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Ungleichheit zwischen den
Reichsten und den Ärmsten hat deutlich zugenommen. Das Vermögen der Milliardäre
ist im Jahr 2024 um 2 Billionen US-Dollar gestiegen, dreimal schneller als im
Jahr 2023. Gleichzeitig sind 60 % der Menschheit immer noch von Armut
betroffen. Die Superreichen zahlen proportional viel weniger Steuern als die
Arbeiterklasse.“
Sánchez erklärte: „Wir müssen auf dem Durchbruch des
letzten Jahres aufbauen, was die wirksame Besteuerung der Superreichen angeht.
Unter Brasiliens G20-Präsidentschaft haben wir diesen Meilenstein erreicht,
indem wir das Thema auf die globale Bühne gebracht haben. (…) Wenn Milliardäre
proportional weniger Steuern zahlen als normale Bürger, erodiert das
öffentliche Vertrauen und die Ungleichheit vertieft sich. Zweitens müssen wir
uns konstruktiv an den Verhandlungen über ein UN-Übereinkommen über
internationale Steuerkooperation beteiligen. Und drittens müssen wir
sicherstellen, dass Unternehmensriesen, unabhängig von ihrem Sitzland, dort
Steuern zahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften.“
Joseph Stiglitz,
Wirtschaftsnobelpreisträger 2001 und Co-Vorsitzender der Unabhängigen Kommission
zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) erläuterte, wie
das Steuerwesen globale Ungleichheiten verstärkt. Er verwies auf das Konzept
der „unsichtbaren Hand“ von Adam Smith, die besagt, dass das Streben
nach eigenem Nutzen dem Gemeinwohl dient – ein Prinzip, das jedoch von vielen
Unternehmen missbraucht werde. „Firmen profitieren von staatlicher Infrastruktur
und Rechtssicherheit, ohne ihren fairen Anteil an Steuern zu leisten“,
kritisierte Stiglitz. Wörtlich sagte er u. a.: „Gerechte Besteuerung und Ungleichheit
sind nicht nur eine Frage wirtschaftlicher Ineffizienz, sondern auch eine Frage
der Moral. Deshalb ist es so angebracht, dass wir sie hier diskutieren, und ich
begrüße die Rolle des Papstes als moralische Autorität in einer Welt, in der
einige unserer Führungspersönlichkeiten genau in die entgegengesetzte Richtung
gehen… Wir alle sind besorgt über die Entwicklungen in den USA, einschließlich
des Rückzugs der USA aus den laufenden Diskussionen im Rahmen des
[UN-]Steuerübereinkommens... In der Vergangenheit haben die USA bei
Verhandlungen sehr hart im Interesse der multinationalen Konzerne und der
Technologiegiganten verhandelt. Und dann erzwingen sie einen Kompromiss ... sie
verwässern das Abkommen, sodass man ein immer schwächeres Abkommen erhält. Und
dann weigern sich die Vereinigten Staaten, das Abkommen zu unterzeichnen oder
zu ratifizieren. Sie bringen also den Rest der Welt dazu, ein schwaches Abkommen
zu verabschieden, und beteiligen sich dann selbst nicht daran. Es ist also kein
Geheimnis mehr, dass die Vereinigten Staaten nicht verhandeln werden. Der Rest
der Welt muss zusammenarbeiten, um ein Abkommen auszuhandeln.“
Eine Welt im Wandel – aber ohne soziale
Gerechtigkeit?
Die Konferenz warf auch tiefere geopolitische Fragen auf:
Welche Rolle spielen universelle Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit in
einer Welt, die von wachsenden Spannungen und zunehmendem Individualismus
geprägt ist? Die geopolitische Überdehnung der USA sowie die wirtschaftliche
Stagnation Europas zeigen, dass der Westen mit internen Krisen kämpft – und
dabei das globale Gleichgewicht aus dem Blick verliert.
Trotz vieler offener Fragen machte die Tagung im Vatikan
eines deutlich: Ohne eine umfassende Steuerreform werden sich soziale und
wirtschaftliche Ungleichheiten weiter verschärfen. Wie Papst Franziskus bereits
2022 betonte, sind Steuern ein Schlüssel, um „Ungleichheiten zu überwinden,
Arbeitsplätze zu schaffen, Gesundheit und Bildung für alle zu garantieren und
Infrastruktur für eine gerechtere Gesellschaft zu errichten“. Die
Diskussionen im Vatikan verstand sich somit als ein Weckruf für eine gerechtere
und nachhaltigere Zukunft.
Quellen: Vatican News (vaticannews.va); Tax
Justice Network (taxjustice.net); World Council of Churches (oikumene.org);
Icrict (icrict.com).
TRUMPS KRIEG GEGEN DIE MIGRANTEN
Ein Gespräch mit dem mexikanischen Migrationspriester
Alejandro Solalinde
von Leo Gabriel *)
Der heute 80-jährige Vorkämpfer für die Rechte der
MigrantInnen ist nach einem Jahrzehnt dauernden Auseinandersetzung mit dem
mexikanischen Establishment in einen Konflikt eingetreten, den er als „Krieg
der Reichsten gegen die Ärmsten“ bezeichnet. Bereits in den 1970er Jahren hat
er sich für die Millionen von mexikanischen Arbeiterinnen eingesetzt, die unter
teilweise lebensbedrohlichen Umständen durch den Grenzfluss Rio Bravo
geschwommen sind, um in die USA zu gelangen. Dabei war er selbst mehreren
Mordanschlägen von Großgrundbesitzern und deren mafiösen Banden nur knapp
entgangen. Aber auch der erzkonservativen katholischen Kirchenhierarchie war er
wegen seiner kritischen Haltung stets ein Dorn im Auge, was ihm regelrechte
Verleumdungskampagnen eintrug.
Nach seiner Rückkehr aus dem Exil in den USA gründete er
unter dem Namen Hermanos en el Camino ein Schutzhaus für MigrantInnen in
Ixtepec, Oaxaca, in dem auch viele Flüchtlinge aus Zentralamerika für einige
Tage (manchmal auch Wochen) Unterschlupf finden konnten. Dieses Haus bildete
den Ausgangspunkt für ein ganzes Netzwerk von Refugien, die an der Grenze von
Mexiko zu den USA von Ordensgeistlichen verschiedener Provenienz errichtet
wurden.
Als 2018 der linksliberale Andres Manuel López Obrador zum
Präsidenten Mexikos gewählt wurde, zählte Solalinde, der nie ein öffentliches
Amt bekleidet hat, zu den engsten Vertrauten des Präsidenten. Aber auch
international fand seine Arbeit große Anerkennung. Im Jahr 2020 kam er sogar in
die engere Auswahl für den Friedensnobelpreis.
Leo Gabriel: Padre
Solalinde, wie fühlen Sie sich in diesen schwierigen Zeiten? Ist das, was
derzeit mit den Migranten passiert, eine neue Situation oder hat es das immer
schon gegeben, nur dass die Weltöffentlichkeit mehr davon mitbekommt?
Alejandro Solalinde: Die
Repression und den Rassismus gegen die Migrantinnen und Migranten und den
damit verbundenen Druck der USA auf Mexiko hat es in den letzten Jahrzehnten
immer schon gegeben. Neu ist allerdings, dass es jetzt einen richtigen Krieg
gibt, einen Krieg, den die reichsten Millionäre gegen die Ärmsten führen; denn
die Ärmsten der Armen sind nun einmal die Migrantinnen und Migranten.
L G: Mit
welchen Methoden führen sie diesen Krieg?
A. S.: Trump
setzt jetzt sogar die US-Armee ein, um die Grenzen von Guatemala und Mexiko zu
blockieren. Dabei kümmert es ihn wenig, dass das zum Nachteil der US-Konzerne,
der sogenannten Maquiladoras geschieht. Ihn interessiert nur die Show, die
Propaganda, die er damit verbindet.
L. G.: Aber
erreicht er damit sein Ziel, die Grenze total zu schließen?
A. S.:
Total wahrscheinlich nicht, aber zu 90 Prozent. Bereits jetzt hat er erreicht,
dass sich der Flüchtlingsstrom um 80 Prozent reduziert hat. Die anderen 20
Prozent bleiben an der Grenze hängen oder verlieren sich irgendwo in Mexiko.
L. G.: Die
Migranten haben also verstanden, dass es nicht geht?
A. S.: Die
Mehrheit von ihnen hat verstanden, dass das nicht geht. Aber nur etwa 10
Prozent gehen an die Orte zurück, woher sie gekommen sind. Die anderen bleiben
in Mexiko und wissen nicht, was sie tun sollen. Viele hoffen auf ein Wunder,
dass es irgendwann wieder möglich sein wird, in die USA zu gelangen. In der
Zwischenzeit suchen sie sich irgendeine Arbeit in Mexiko, wo sie die Regierung
teilweise unterstützt.
L. G.: Auch
in Ihrer Herberge, die Sie in Oaxaca für die MigrantInnen aufgebaut haben?
A. S.:
Weniger. Viele gehen in den Norden, wo jetzt so genannte „Entwicklungspole“
eingerichtet wurden, wo sie zwar nicht soviel verdienen wie in den USA, aber
immerhin doppelt so viel wie sie normalerweise in Mexiko verdienen. Das sind
Zehntausende, die allein in Tijuana arbeiten, wo es viele Maquiladoras gibt.
L. G.: Das
ist wahrscheinlich nur provisorisch, solange sie auf ihre Visa warten, die
jetzt nicht mehr ausgestellt werden. Aber was ist die Lösung, wenn das nicht
mehr geht? In ihre Heimatorte zurückkehren oder in Mexiko bleiben?
A. S.: Es
ist auf alle Fälle besser, wenn sie in Mexiko bleiben. Hier gibt es Schulen für
die Kinder, Spitäler für die Kranken und eine wenn auch kleine Pension für die
Alten.
L. G.: Und
was machen Sie, damit die Migrantinnen und Migranten das einsehen und in Mexiko
bleiben?
A. S.: Das
ist nicht leicht. Denn es ist, als wenn sie einen „chip“ im Kopf haben, der sie
in den Norden zieht. Ich verstehe ja, dass sie es zu Hause nicht mehr
ausgehalten haben, wegen der Lebensumstände und der tagtäglichen Gewalt, der
sie ausgesetzt sind. Aber sie verstehen oft nicht, was sie in den USA erwartet,
selbst dann, wenn sie es unter dem Einsatz ihres Lebens schaffen, den Rio Bravo
zu überqueren. Dort gibt es nämlich in der Zwischenzeit eine richtige Hexenjagd
auf die so genannten „Illegalen“.
L. G.: Haben
Sie den Eindruck, dass die MigrantInnen Ihnen mehr glauben als der Regierung,
weil Sie Priester sind?
A. S.: Sie
haben einen großen Respekt vor mir, aber ich habe den Eindruck, dass sie die
USA mehr lieben als den lieben Gott. Aber das ändert sich jetzt eben.
L. G.: Glauben
Sie, dass es wegen dem Problem mit der Migration zu gewaltsamen Auseinandersetzungen,
ja sogar zu einem Krieg kommen könnte?
A. S.: Das
glaube ich nicht. Unsere Präsidentin Claudia Sheinbaum hat sich seit Ihrem
Amtsantritt sehr klug verhalten. Sie hat akzeptiert, dass die Nationalgarde die
Grenze bewacht, als Trump seine Soldaten zur „Grenzsicherung“ auf mexikanisches
Territorium schicken wollte.
Aber es geht um mehr; es handelt sich um die Auseinandersetzung
von zwei unterschiedlichen Systemen: zwischen einem gefräßigen Kapitalismus und
einem humanitären Kapitalismus. Mexiko hat ein tief verwurzeltes
plurikulturelles Erbe, das den Armen einen religiösen und gesetzlichen Rückhalt
gibt. Der unipersonale Stil von Trump wird vorübergehen, aber die
menschenverachtende Oligarchie wird bleiben.
Mexiko hat keine Angst vor der Masse von Migrantinnen und
Migranten, die noch kommen werden. Wenn es notwendig ist, könnten wir ganz
Zentralamerika aufnehmen. Hier gibt es Platz für alle!
*) Dr. Leo Gabriel, geb. 1945, ist Journalist, Filmemacher
und Sozialanthropologe, international anerkannter Lateinmerikaexperte und
Mitglied des Internationalen Rates des Weltsozialforums. Gabriel war von 1985
bis 2005 Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Zeitgenössische Lateinamerikaforschung
in Wien.
BUCHTIPP
Eva Pipan / Franz Sieder (Hrsg.): ARBEITERPRIESTER, Symbol
für eine andere Kirche. Selbstverlag Amstetten 2024. 100 Seiten, € 4,55 (zzgl.
Versandkosten)
Eva Pipan,
geb.1956, ehemalige Mitarbeiterin der Katholischen Arbeiterjugend und der Betriebsseelsorge,
und Franz Sieder, geb.1938, selbst Jahrzehnte in der Arbeiter- bzw. Betriebsseelsorge
tätig (darunter 11 Jahre als Diözesan- und 7 Jahre als Nationalkaplan der
Katholischen Arbeiterjugend sowie 40 Jahre als Betriebsseelsorger für das
Mostviertel in Niederösterreich), wollen mit diesem Büchlein nicht nur die
Bewegung der französischen Arbeiterpriester in den Jahrzehnten nach dem 2.
Weltkrieg, sondern auch die katholische Arbeiter- und Betriebsseelsorge in der
Diözese St. Pölten dokumentieren.
Entsprechend dem Untertitel „Symbol für eine andere Kirche“ wird der
Band durch eine Dokumentation und Analyse des „Katakombenpaktes“ zum
Abschluss des II. Vatikanischen Konzils 1965 ergänzt.
Auf den ersten 40 Seiten sind Zeugnisse französischer
Arbeiterpriester aus den 1980er Jahren abgedruckt, die einen Einblick in die
Entstehung dieser Bewegung geben und die persönlichen Erfahrungen der
Betroffenen sowohl in der Arbeitswelt als auch in der Kirche. Sie zeigen auch
die Entwicklung von der ursprünglichen Idee der „Arbeitermission“ (also
der Entsendung von Priestern in die als feindlich empfundene Arbeitswelt) zur
bewussten Identifikation mit der Arbeiterbewegung auf. Am Beispiel einer
Audienz bei Papst Pius XII. wird auch die völlige Ignoranz der damaligen
Kirchenführung für die Arbeiterpriester deutlich, die auch zum offiziellen
Verbot dieser Bewegung durch den Vatikan führte. In Frankreich gab es
allerdings einige Bischöfe, die diese Bewegung unterstützt haben.
Henri Bourdereau, ein
Arbeiterpriester aus Paris, zitiert einen Arbeiter: „Für mich gibt es einen
Unterschied zwischen dem traditionellen Priester und dem Arbeiterpriester. Es
stimmt, die Arbeiterpriester wollen die Botschaft von Jesus verbreiten; es
stimmt, dass sie auf ihre Art das Evangelium leben. Aber sie kommen nie mit der
Bibel daher, um uns zu belehren. Sie fügen sich ein in die Stadt, in die
Fabrik, in die Art des Arbeiten und des Denkens. Und wenn es manchmal zu Fragen
kommt, zu philosophischen oder ideologischen, geht er von meinem Leben und
meiner Erfahrung aus, wenn er sich mit diesen Fragen befasst.“ (S 22)
Und aus der Sicht eines Arbeiterpriesters schreibt Yves
Sauvaget: „Genau wir unsere Kollegen müssen wir einfach kämpfen. Jeden
Morgen an der Stechuhr stelle ich fest, dass die Demokratie, von der man so
viel redet, hinter den Schranken meiner Fabrik aufhört. Hier sind wir Ausführende
im Dienst des Profits für den Profit, der Leistung für die Leistung. Jeder
steht unter Druck, der Arbeiter, der Abteilungsleiter und der Chef. Wir sind
keine Menschen mehr, sondern Sklaven des Profits.“ (S 34).
Nach den persönlichen Beiträgen französischer
Arbeiterpriester folgt ein Beitrag des Pastoraltheologen Christian Bauer
von der Universität Münster, der einen kurzen Überblick über die Geschichte der
französischen Arbeiterpriester-Bewegung und der damit verbundenen innerkirchlichen
Konflikte gibt (S 40 ff.). Bauer beschreibt, wie durch die Arbeiterpriester
auch ein neues Verständnis von Mission in der Kirche entstanden ist: „Nicht
sie bringen den Arbeitern das Evangelium, sondern diese lehren sie, das
Evangelium überhaupt erst zu verstehen. Nicht sie bekehren die Arbeiter:innen
zur Kirche, sondern diese bekehren sie zum Glauben.“ (S 44). Unter Pius
XII. war allerdings ein solches Verständnis von Mission undenkbar – erst nach
dem II. Vatikanischen Konzil konnte es sich in der Kirche durchsetzen.
Im nächsten Beitrag befasst sich Franz Sieder mit
den französischen Arbeiterpriestern und deren Spiritualität (S 52 ff. – es ist
ein Referat, das Sieder 2013 bei einer Dekanats-Priesterkonferenz gehalten
hat). Dann werden aus der Diözese St. Pölten die ehemaligen Arbeiterpriester Rudolf
Wimhofer und Josef Gaupmann sowie Ordensleute in der Arbeitswelt
(darunter namentlich P. Karl Helmreich) vorgestellt (S 62 ff.).
Das Büchlein bringt auch den Text des Katakombenpakts „Für
eine dienende und arme Kirche“, den 40 Bischöfe am 16. November 1965 zum
Abschluss des II. Vatikanischen Konzils in Form von 13 Selbstverpflichtungen
veröffentlicht haben und dem sich danach über 500 Bischöfe weltweit
angeschlossen haben (S 66 ff.). Norbert Arntz, katholischer Priester und
Befreiungstheologe in Deutschland, der selbst mehrere Jahre in Lateinamerika
tätig war, analysiert den Text und dessen Bedeutung für die katholische Kirche
(S 70 ff.). In diesem 2015 in der Zeitschrift „Stimmen zur Zeit“
erstmals veröffentlichten Beitrag sieht Arntz im Katakombenpakt die „Kündigung
des Konstantinischen Paktes“: „Das Konzil hatte begonnen, die Bastionen
zu schleifen. Der Katakombenpakt hat durch seine Nah- und Fernwirkungen die
Festungsmauern des konstantinischen Paktes entschiedener eingerissen.“
„Mein Vaterunser“ des
französischen Arbeiterpriesters J. R. Rouze sowie „Mein persönliches
Glaubensbekenntnis“ von Franz Sieder runden dieses Büchlein ab.
Adalbert
Krims
Bestelladressen: Eva Pipan, Krenntal 10, 3130 Herzogenburg.
E-mail: regenbogen56@gmx.at
oder Franz Sieder, Dammstraße 36, 3300 Amstetten.