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KRITISCHES CHRISTENTUM

 

Nr. 476/477                                   März/April 2024

 

 

 

Thomas Hennefeld:

 

EINDRÜCKE VON EINER REISE INS HEILIGE LAND IN ZEITEN DES KRIEGES

 

Thomas Hennefeld hat vom 19. bis 29. Jänner an einer privaten Jerusalem-Reise anlässlich der Ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen 2024 teil­genommen. Die Gebetswoche wird weltweit jedes Jahr vom 18. bis 25. Jänner (Nordhalbkugel) oder zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten (Süd­halb­ku­gel) gefeiert. Heuer stand  sie unter dem biblischen Motto: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben ... und deinen Nächsten wie dich selbst“. Die fünfköpfige Gruppe besuchte jeden Tag eine andere christliche Kirche.

Stadt der drei Religionen

Ich blicke vom Garten des Gästehauses Maison Abraham auf dem Ölberg hinüber auf die Altstadt. Ein Klangteppich von Muezzinrufen, Kirchen­glocken, Polizeisirenen und Vogelgeschrei breitet sich aus. Mittendrin thront der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel. Dort liegt auch der Tem­pel­berg mit der Westmauer oder auch Klagemauer genannt, für Muslime heißt er al-ha­ram asch-scharif. Für Judentum und Islam ein besonders hei­liger Ort, umstritten und umkämpft und immer wieder Schauplatz von Zusammenstößen.

Ich spaziere durch die Altstadt, vie­le Geschäfte sind geschlossen, so gut wie keine Touristen oder Pil­ger sind zu sehen. Eine Katastrophe für die Menschen in der Stadt, die weitgehend vom Tourismus leben.

Gebetswoche für die Einheit der Christenheit

Szenenwechsel: Ich feiere die Gebetswoche für die Einheit der Christenheit mit, jeden Tag mit einer anderen Konfession und in einer anderen Ki­­rche. Die meisten Kirchen befinden sich in der Altstadt. An einem Tag feiern wir mit den Armenieren, am nächsten mit Protestanten und wieder an einem anderen Tag in der äthiopischen Kirche in der Weststadt. Ein buntes Trei­ben, unterschiedliche Liturgien und Gesänge, Gewänder und Riten und doch eine christliche Familie in einem Land, in dem nur noch 2 % der Bevölkerung christlichen Kirchen angehören.

Zorn und Hoffnung

Jeden Tag beten wir in mehreren Sprachen bei den Gottesdiensten für Frieden in der zerrissenen Stadt und dem zerrissenen Land, aber auch für Frie­den in anderen Regionen dieser Welt.

Nach dem 7. Oktober wurde vieles schlagartig anders. Zorn, Schmerz, Rachegefühle und Ohn­macht vermischen sich und sind auf allen Seiten zu spüren. Palästinenserinnen und Palästinenser stehen unter Verdacht, Anhänger der Hamas zu sein, manchmal werden ihre Handys überprüft, manch­mal sogar konfisziert, wenn sich etwas Verdächtiges darauf befindet, so wird uns erzählt. Die Kontrollen wurden massiv verschärft und manchmal, so sagt mir eine Frau am Rande eines Empfangs nach einem Gottesdienst, ist es schwer zu unterscheiden, was Kontrolle und was Schikane ist. Eine an­dere Frau erzählt mir, sie habe Angst allein auf der Straße zu gehen, sie wisse nicht, wie Polizei oder Militär sich verhalten, an einem Tag freund­­lich, aber am nächsten aggressiv. Viele Bewohnerinnen und Bewohner Jerusalems leben unter ständiger Anspannung vor dem Ausbruch vor Ge­walt. Dabei ist der Krieg in Gaza in Jerusalem kaum zu spüren und doch ist er durch die Nachrichten und in den Gesprächen allgegenwärtig.

Ich fühle mit, mit den Israelis, die nach dem 7. Oktober in ein kollektives Trauma verfallen sind. Schon am Flughafen wurden wir mit großen Por­träts der Geiseln empfangen, die von der Hamas irgendwo in Gaza versteckt gehalten werden, nicht auszudenken, was sie gerade durchleiden. .

Ich fühle mit, mit den Palästinenserinnen und Palästinensern, die um die tausenden Toten in Gaza trauern, darunter viele Frauen und Kinder, auch ka­tho­lische und orthodoxe Christinnen und Christen. So viel Leid, so viel traumatisierte Menschen.

Neben den Gottesdiensten und Gebeten stehen Begegnungen mit jüdischen, muslimischen und christlichen Persönlichkeiten auf dem Programm, die in der Friedensarbeit aktiv sind. Spannende Gespräche. So treffen wir einen Rabbiner, der ein eigenwilliges Friedenskonzept verfolgt, nämlich die Zusammenarbeit mit Extremisten beider Seiten in der Hoffnung, durch einen minimalen Konsens einen großen Heiligen Krieg verhindern zu kön­nen.

Die kleine christliche Gemein­schaft ist seit dem 7. Oktober unter noch stärkerem Druck und in Be­drängnis, als sie es vorher schon war. Christinnen, die als solche sichtbar sind, durch Ordensgewand oder Kreuz, werden von jüdischen Extremisten immer wieder angepöbelt und manchmal auch tät­­lich angegriffen. Die Dormitio, die Benediktiner-Abtei am Zionstor ist ein besonderer Brennpunkt, so erzählt uns der Abt des Klosters, Nikodemus Schnabl. Christinnen und Christen müssen sich aber auch vor der Hamas und anderen extremistisch muslimischen Gruppen in Acht nehmen. Kritik an der Hamas zu üben, kann lebensgefährlich sein.

In und um Jerusalem breiten sich jüdische Siedlungen aus, auch dort, wo ein palästinensischer Staat entstehen sollte. Auch in unmittelbarer Nach­barschaft unseres Gästehauses steht eine jüdische Siedlung mitten unter palästinensischer Bevölkerung. Ein eigener Siedlerbus bringt die Leute hinunter in die Stadt, ein Bus, den auch ich gelegentlich benutzt habe, auf dem Weg in die Weststadt. In den letzten Wochen ist wieder vermehrt von einer Zwei-Staaten-Lösung die Rede. Unsere palästinensischen Gesprächspartner schütteln nur den Kopf. „Schau dir die Landkarte an mit all den Siedlungen. Wo soll denn dieser Staat Palästina entstehen?“

Besuch in der Geburtsstadt Jesu

Ich fahre mit dem arabischen Bus über den Checkpoint nach Bethlehem. Die Atmosphäre ist noch trister, die Stimmung noch depressiver, die Ar­beitslosigkeit noch höher als in Jerusalem. Wir besuchen eine Tageswerkstätte für Menschen mit Behinderung. Einige kommen aus einem nahe ge­legenen Flüchtlingslager. Weiter geht es zu einer Organisation, die mit traumatisierten Kindern arbeitet, in den Bildern und Montagen dominieren Krieg und Gewalt aber es finden sich auch Zeichen der Versöhnung. Wir besuchen die deutsche Auslandsschule Talitha kumi (Mädchen, steh auf). Hier werden christliche und muslimische Schüler gemeinsam unterrichtet. Wir sprechen mit Schülerinnen und Schülern der 11. Schulstufe, also je­nen, die vor der Matura stehen. Sie sehen für sich in diesem Land keine Zukunft. Zwei Schüler sind digital zugeschaltet, weil der Weg zur Schule zu gefährlich ist.

Ein Abstecher zum Krippenplatz und in die Geburtskirche. Dort, wo sich zu anderen Zeiten Menschenmassen durch das niedrige Eingangstor zwin­gen und man im Ge­dränge hin und her geschubst wird, herrscht gähnende Leere. Ich kann in aller Stille an dem Ort verweilen, an dem Jesus an­geblich geboren wurde.

Wir besuchen Daoud Nassar und seine Schwester Amal auf dem Weinberg „Tent of Nations“ in der Nähe von Bethlehem. Am Eingang ein Stein mit den Worten: „Wir weigern uns, Feinde zu sein.“ Die beiden stammen aus einer alteingesessenen christlichen Familie. Seit Jahrzehnten kämpft die Familie um ihren Besitz und hat vor Gerichten bis jetzt immer wieder Recht bekommen, teils mit internationaler Unterstützung. Umgeben ist der idyl­lisch gelegene Weinberg, auf dem Daud Landwirtschaft betreibt, von mehreren jüdischen Sied­lun­gen, die schon zu kleinen Städten angewachsen sind. Armee und Siedler macht der Familie das Leben schwer. Und ihre Gebäude sind immer wieder vom Abriss bedroht. U. a. or­ganisiert er Sommercamps für Kinder und Jugendliche.

Wieder zurück in Jerusalem zum Gebet, zum Gottesdienst. Der Krieg, der Konflikt, die Spannungen, sind auch dort Thema, in den Fürbitten, in der Pre­digt, in den Friedenszeichen, die wir einander geben. Sich in Jerusalem Frieden wünschen, hat noch einmal eine besondere Bedeutung.

Bei all den Begegnungen mit christlichen, jüdischen und muslimischen Persönlichkeiten überwiegt der Pessimismus. Ich stoße auf viel Ratlosigkeit und Unsicherheit, und doch ist der Wille da, nicht den Extremisten das Feld zu überlassen und die Hoffnung auf Frieden nicht aufzugeben.

Gottesdienst im Abendmahlssaal

Ein besonders ergreifender Moment ist die gemeinsame Feier aller Kirchen im Abendmahlssaal, dort, wo Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert haben soll. Da können sogar religiöse Jüdinnen und Juden teilnehmen, weil es ja keine Kirche ist, sondern nur ein Saal. „Wir brauchen Räume der Begegnung“ sagte einer unserer Gesprächspartner, Räume des Austausches, Räume, in denen Brücken gebaut wer­den können, in denen Verständigung möglich ist und in denen Menschen auch den Schmerz der anderen sehen und wahrnehmen können.

Eine Reise der Kontraste und Gegensätze mit einer kleinen Gruppe, Deutsche und Österreicher, ökumenisch, katholisch, lutherisch, reformiert, me­tho­distisch, um mit den Menschen in der Heiligen Stadt Jerusalem die Gebetswoche zu erleben, Gastfreundschaft zu genießen und zuzuhören, was die Menschen zu sagen haben. Viele sind dankbar, dass wir gekommen sind, auch und gerade in Zeiten des Krieges.

Mag. Thomas Hennefeld wurde am 29. Juli 1966 in Wien geboren. Er studierte evangelische Theologie in Wien und Zürich. Nach dem Vikariat in Wien-Innere Stadt wurde er im Frühjahr 1998 zum Pfarrer der reformierten Pfarrgemeinde Wien-West gewählt.

Am 31. Mai 2007 wählte ihn die Synode für 6 Jahre zum Landessuperintendenten der Evangelisch-reformierten Kirche in Österreich. 2013 und 2018 wurde er je­weils für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt. Von 2017 bis 2019 war Hennefeld Vorsitzender und von 2019 bis 2021 Stellvertretender Vorsitzender des Öku­menischen Rates der Kirchen in Österreich, dessen Vorstand er nach wie vor angehört.

Seit 2000 ist er der österreichische Vertrauenspfarrer des Jerusalemsvereins, der sich um die Kontakte zu den evangelischen Christen in Jerusalem und Palästina küm­mert. Hennefelds Schwerpunktthemen sind der christlich-jüdische Dialog, die Friedensarbeit im Nahen Osten, die Ökumene und das interreligiöse Gespräch.

 

 

11 JAHRE PONTIFIKAT FRANZISKUS

Von Michael Ramminger

Am 13. März 2013 begann das Pontifikat von Papst Franziskus. Die Wahl dieses Papstes war ein bewegender Moment nach all der nachkonziliaren Er­starrung und Rückwärtsgewandheit der Vorgängerpäpste. Schon sein erster öffentlicher Auftritt verwies auf seine Anliegen: Er verzichtete auf die traditionellen roten Schuhe und trug stattdessen seine normalen Straßenschuhe. In der bundesdeutschen katholischen Öffentlichkeit war die Be­geisterung für den neuen Papst groß. Er schien eine Kirche und eine Theologie zu wollen, die sich den Problemen der Welt, den „Zeichen der Zeit“ stellt. Sein Anschluss an die Aufbruchsbewegungen des Zweiten Vatikanums war un­übersehbar und unüberhörbar. Vermutlich wie auch sein Vor­gänger Ratzinger war ihm die Krise der Kirche und des Christentums bewusst, anders als Ratzinger jedoch ist Bergoglio klar, dass es kein Zurück in den vorkonziliaren Traditionalismus geben kann. Die Zukunft der Kirche kann nur gewonnen werden, wenn sie den Problemen der Welt etwas entgegenzusetzen hat.

In diese Richtung gingen seine öffentlichen Äußerungen, seine lehr­amt­lichen Verlautbarungen und theologischen Reflexionen.

Die Freude des Evangeliums

Erinnern wir uns an seine Kapitalismuskritik: 2013 formulierte Franziskus im apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ („Freude des Evangeliums“) die berühmte Überschrift „Diese Wirtschaft tötet“ und kritisierte die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ als ein Hauptmerkmal uns­erer Zeit. Damit warf er das Problem von Gottesdienst und Götzendienst auf, er verglich unser Verhältnis zur Ökonomie sogar mit dem Götzend­ienst am Goldenen Kalb. In diesem Sinne führte ihn die erste Reise seines Pontifikats nach Lampedusa, um dort afrikanische Flüchtlinge zu treffen, die es bis auf die italienische Insel geschafft hatten. „Die Globalisierung der Gleichgültigkeit“, so Franziskus, „hat uns die Fähigkeit zu weinen genommen“. Wie sehr sich die Herzen Europas in den letzten 11 Jahren verhärtet haben, statt sich die Fähigkeit zu Mitleid und Menschlichkeit zu­rück zu erobern, sehen wir an verschärften Grenzregimen, am Versuch, die Grenzen hermetischer zu verschließen und an der traurigen Ideologie, dass unser Wohlstand nur ungeteilt aufrecht zu erhalten ist.

Ökologie und Soziale Frage

In der Enzyklika „Laudato si“ vom Mai 2015 widmete Papst Franziskus sich der Frage der Umweltzerstörung und deren Zusammenhang mit der so­zialen Frage, und sagte: „Es ist vergessen worden, dass wir, die Menschen, selber Erde sind. Besonders die Armen, die keiner Beachtung für Wert befunden und misshandelt werden, sind von dieser Ausbeutung und Zerstörung der Erde am stärksten betroffen.“ (EG 1ff.) Der oft vergessene Zusammenhang zwischen ökologischer und sozialer Frage, zwischen Armut, Hunger und Krieg einerseits und Naturzerstörung und Klima­er­wär­mung andererseits wurde von ihm zur Sprache gebracht, und immer wieder mit dem Aufruf verbunden, sich mit diesen Verhältnissen nicht ab­zu­ge­ben und dies als zentrale „Gottesfrage“ zu verstehen.

Die Welttreffen mit den sozialen Bewegungen

Anlässlich der Welttreffen sozialer Bewegungen, die der Vatikan seit 2014 organisierte, verwies er im­mer wieder auf den Zusammenhang zwischen politischer Praxis und dem Aufbau des Reiches Gottes. Mehrfach lud er Menschen aus der ganzen Welt und aus verschiedensten sozialen Bewe­gun­gen zu Versammlungen ein. Tierra – techo – trabajo (Arbeit – ein Dach über dem Kopf und Land) waren das Motto. Und schon 2015 forderte er, dass die Kirche den Bewegungen nicht fernbleiben dürfe, „auch wenn sie Gefahr laufe, sich mit dem Dreck der Straße zu beschmutzen.“ (EG 45) Den Bewegungen gegenüber erklärte er 2016: „Ihr tut, was Jesus tat.“.

Die Amazonien-Synode

 2019 fand auf seine Initiative hin die Amazonien-Synode statt, von der der brasilianische Befreiungstheologe Marcelo Barros sagte, dass schon deren Vorbereitungs-Text auf synodale Weise im Dialog mit den ursprünglichen Völkern Amazoniens zustande kam und die Umkehr der Kirche als pastorale und ökologische Umkehr interpretierte. Er nahm damit den Papst gegen Kardinal Walter Brandmüller in Schutz, der im Blick auf das Vorbereitungspapier selten dümmlich die Frage gestellt hatte, was Ökologie, Ökonomie und Politik mit dem Auftrag der Kirche zu tun hätten.

Weltverhältnisse und evangelisierende Kirche

In seinem letzten großen Schreiben „Laudate Deum“ 2023 schrieb er: „Diese (gegenwärtige) Situation hat nicht nur mit der Physik oder der Biologie zu tun, sondern auch mit der Wirtschaft und unserer Weise, sie zu verstehen. Die Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten, verschleiert als Rationalität, als Fortschritt und durch illusorische Versprechen, macht jede aufrichtige Sorge um das gemeinsame Haus und jede Sorge um die Förderung der Ausgestoßenen der Gesellschaft unmöglich.“ (LD 31) Hier scheint er all seine bisherigen Anliegen in wenigen Sätzen zusammen­zu­fas­sen. Zugleich formuliert er hier, was er unter evangelisierender Kirche versteht: Nur, wenn wir etwas zur Lösung der dramatischen Weltverhält­nis­se beizutragen wissen, reden wir angemessen von messianischer Nachfolge

Die Kritik der Gewalt

Die Frage der Gewalt taucht in un­terschiedlicher Weise in vielen seiner Ansprachen und Äußerun­gen auf. Auch im Blick auf die Ukrai­ne hat er sich immer wieder deut­lich positioniert. So zum Bei­spiel bei der traditionellen Neu­jahrs­ansprache am 9. 1. 2023 vor dem diplomatischen Corps, wo er zum wiederholten Male von einem „dritten Weltkrieg“ sprach, der zwar immer nur bestimmte Regionen trä­­fe, aber im Grunde bereits in Gan­ge sei. Dabei zog er dort schon den Krieg in der Ukraine mit in die Überlegungen hinein, warnte aber damals auch schon vor den wachsenden Spannungen zwischen Pa­lä­stinensern und Israel. Ein Jahr spä­ter führte er bei gleicher Gele­gen­heit aus: „Wenn wir jedem ein­zelnen von ihnen (den Opfern, MR) in die Augen schauen, sie beim Na­men nennen und ihre persönliche Geschichte erzählen könnten, würden wir den Krieg als das erkennen, was er ist: nichts als eine entsetzliche Tragödie und ein unnötiges Blutbad, das die Würde jedes Men­schen auf dieser Erde verletzt“. Krieg ist eine Form dieser Gewalt, an­dere Formen sind die der Aus­beu­tung menschlicher Arbeit, der natürlichen Ressourcen, sexualisierter Gewalt etc.

Der Beginn seines Pontifikats

An­fangs war die Bewunderung für sei­ne offene Rede, für seine erkennbar theologische und politische Konsequenz bei uns groß. Viele ahnten, wie Recht Franziskus mit der Einschätzung der Situation der Welt und seiner Kritik hatte. Anders war es in Latein- und Südamerika. Hier war das Miss­­trauen nach den langen Jahren der Verfolgung der Befreiungstheologie und der „Kirche des Volkes“ so groß, dass sich die wenigsten noch et­was von einem neuen Pontifikat erhofften.

Es ist für Franziskus bis heute nicht leicht, an seiner doppelten Linie der theologischen Positionierung und kirchlicher Veränderun­gen festzuhalten. Die vorsichtigen, aber konsequenten strukturellen Änderungen wie z. B. der Umbau der römische Kurie, personelle Umbesetzungen etc. müssen sich gegen die reaktionären Beharrungskräfte im Vatikan behaupten. Auch die Bemühungen um synodale Prozesse stoßen nicht überall und immer auf Verständnis. Und insbesondere dem bundesdeutschen Katholizismus fehlt es oft an römischer Unterstützung für die hier als notwendig erkannten Kirchenreformen.

Haben sich Sympathien verkehrt?

Ein wenig scheint es, als ob sich die Sympathien für Franziskus verkehrt haben. Während tatsächlich zu Beginn viele bei uns auf seiner Seite standen, und im globalen Süden eher distanziertes Abwarten vorherrschte, scheint es heute umgekehrt. Die Ungeduld und die regressive Kon­zen­tra­tion auf strukturelle Kirchenreformbestrebungen einerseits und die – vorsichtig formuliert – mäßige Bereitschaft andererseits, sich die evan­ge­li­sa­torischen und politischen Linien des Papstes zu eigen zu machen, haben hier zu einer größeren Distanz gegenüber Franziskus geführt, während in Teilen des globalen Südens die Überzeugung gewachsen ist, dass Franziskus es mit der Erneuerung von Kirche und Christentum ernst meint. Denn hier war seit Beginn des letzten Jahrhunderts stetig die Überzeugung gewachsen, dass nur eine messianische Praxis des Friedens, der Gerechtigkeit und Gleichheit der Boden sein kann, auf dem eine neue Kirche entstehen wird. Und an diese Geschichte knüpft Franziskus an. Symbolisch ist dies an der Rehabilitation so vieler Befreiungstheologen deutlich geworden. Mit ihm hatte die Verfolgung von Befreiungstheo­logInnen durch Rom ein Ende. Er hatte sich bereits 2015 mit dem salvadorianischen Befreiungstheologen Jon Sobrino getroffen und ihm gesagt: „Schreib weiter!“, er traf auch Leonardo Boff und Gustavo Gutiérrez und rehabilitierte Miguel d’Escoto. Im letzten Jahr hat Papst Franziskus dann die Suspendierung von Ernesto Cardenal aufgehoben. Im Blick auf seine politischen Überzeugungen ist Franziskus ein Mensch des globalen Sü­dens und weiß viele hinter sich.

Die Distanz zwischen Nord und Süd

Wie dramatisch die Distanz zwischen Norden und globalem Süden übrigens wieder geworden ist, nachdem man in den achtziger Jahren trotz des Kamp­fes gegen die Befreiungstheologie bei uns hier in Europa den Eindruck hatte, dass es auch in unseren Kirchen ein zunehmendes Verständnis für Situation und Probleme der Menschen des Süden gibt, lässt sich in diesen Tagen an der Auseinandersetzung um die Worte von Franziskus zum Krieg in der Ukraine abmessen. Die Arroganz des Westens, unter den Labeln von Demokratie und Menschenrechten die Welt in einen Kampf zwi­schen Gut und Böse zu verwickeln und die Menschen in der Ukraine immer weiter bluten zu lassen, ist unerträglich. Die Aufforderung der FDP-Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann, „der Papst müsse sich sor­tieren!“ entlarvt ihren Glauben: „Außerhalb der NATO kein Heil!“.

Auch das ZK der deutschen Katholikinnen fällt in dieses „Weiter so bis zum bitteren Ende“ ein, das die deutsche Außenministerin schon zu Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine ausgegeben hatte. Wir übernehmen gerne das Wort des Journalisten Friedrich Küppersbusch vom „waffenreligiösen Katholizismus“, der sich hier in absoluter Ignoranz gegenüber den päpstlichen Friedensbemühungen her­ausgebildet hat. Ein rö­misch-katholischer Papst darf nach all den dramatisch brutalen Erfahrungen und Einsichten der Geschichte nie­mals in die Propaganda für einen be­dingungslosen Krieg einfallen! Je­ne, die gerade am lautesten für seine Fortsetzung grölen, werden gewiss nicht in ihm sterben wollen.

Viele im globalen Süden schütteln über diese ihnen altbekannte Arroganz des Westens, über seine pazifistische Heuchelei, seinen Anspruch auf Menschenrechts- und Demokratiemonopol nur den Kopf. Und wenn der bundesdeutsche Katholizismus sich nicht endlich auch zu diesen Problemen ver­hält, verrät er seine „Katholizität“ („das Ganze betreffend“). Diese kann nicht ausschließlich durch kirchliche Strukturreformen gerettet werden.

Das Pontifikat von Franziskus jedenfalls ist im tiefen Sinne prophetisch und weist den mühsamen Weg zu einer befreienden Kirche. Ob dieser Weg eingeschlagen wird?

Quelle: Institut für Theologie und Po­li­tik, Münster, 13. 3. 24.

Michael Ramminger, geb. 1960, Dr. theol., ist katholischer Theologe und Mitbegründer des Institut für Theologie und Politik in Münster/Westfalen. 2012 Mitarbeit an der Universität Goiais (Brasilien) mit dem Projekt „Kapitalismus als Religion“.

 

Jussuf Windischer:

ABENTEUER NOTSCHLAFSTELLE

Wohnungslos, obdachlos – home­less people

Menschen die unter Brücken, Autobahnen, Abbruchhäusern schlafen, Menschen, die in Durchgängen, Überdachungen, Zelten im Wald oder an Fluss­ufern schlafen –  die gibt es in Österreich, in Tirol und in Innsbruck. Das gibt es in einem wohlhabenden Land, in Tirol mit einer enormen An­zahl von leerstehenden, oft illegalen Freizeitwohnsitzen, in einer Stadt mit enorm hohem Anteil an Leerstand, in einer Stadt mit völlig überhöhten Mietpreisen. Die Notschlafstellen und Herbergen sind ganzjährig ausgebucht und schon seit Jahren überfüllt.

Leerstand, Spekulation und Kriminalität

Das Problem sind nicht die homeless people (die obdachlosen, wohnungslosen Menschen) – sie haben aber ein Problem. Das Problem ist die Kri­minalität von Spekulanten, die dies rechtlich gedeckt, zum Schaden der Mitmenschen ausnützen, das Problem ist der private, überteuerte Wohnungsmarkt, der übrigens durch Mietzinsbeihilfen aus öffentlichen Geldern gestützt wird. Durch Mietzinsbeihilfen wird bekanntlich der Be­sit­zer der Wohnungen gefördert – keineswegs der  Mieter. Wie in vielen Problemfällen dieser Welt: das Problem sind nicht die Armen, sondern skru­pellose Reiche. Auch im folgenden Bericht: das Problem sind nicht die ArmutsmigrantInnen, oft Roma/Romnjas  aus dem Osten, das Problem ist  der Antiziganismus und Rassismus. Nicht die Juden sind das Problem, vielmehr der Antisemitismus, nicht der große verarmte schwarze Bevöl­ke­rungsanteil in vielen Städten, Slums und Barackensiedlungen, son­dern der Rassismus ist das Problem. Es ist eine Struktur, die gilt und geschützt wird, in der das Eigentum, insbesondere der Reichtum als sehr hohes Gut rechtlich geschützt, verteidigt und vermehrt wird. „Suum cuique“ So steht es im Eingangsbereich der juristischen Fakultät Innsbruck. Es gilt ein Gesetz und eine Struktur, die die Reichen immer reicher, die Armen immer är­mer werden lässt. Fakten belegen es.

Leben unter der Autobahn

Wieder einmal: feuchte Novembertage, Kälte und Schnee ist angesagt. Viele Menschen in Innsbruck, einige sind Zeitungsverkäufer, andere Musiker, wieder andere Gelegenheitsarbeiter aus dem Osten. Sie haben kein Dach über dem Kopf. Sie schlafen unter der Autobahn. Früher stiegen einige noch in die Hohlräume unter Autobahnen ein, richteten sich Wohnräume ein, begleitet vom Lärm des polternden Autolärms darüber. Diese Hohl­räu­me sind inzwischen fest verschweißt und verschlossen. Unter der Autobahn, in allen Nischen bzw. unter Plastikplanen schlafen die Leute – dort treffe ich sie. Es sind auch Kinder dabei. Einige schlafen in Autos. Sie fürchten sich vor der Kälte und dem drohenden Wintereinbruch.

Herberge voll – Notmaßnahmen

Die Vinziherberge, das Waldhüttl ist voll (30 Leute sind dort untergebracht) Über verschiedenste Kanäle versucht die Vinzenzgemeinschaft Wald­hüttl, leerstehende Häuser bzw. Objekte ausfindig zu machen, mit Besitzern bzw. Ges.m.b.H.s Zwischennutzungen zu vereinbaren. Angeboten wird unsererseits ein Perkariumsvertrag – ein Bittleihvertrag, bei Übernahme von Betriebskosten und auch Ablösen. Ein Haus im Zentrum wurde ge­fun­den – 7,8 Wohnräume, noch ein Mieter befindet sich im Haus. Laut Besitzer soll das Haus „abgewohnt“ werden. Die Räume, das gesamte Haus ist al­ler­dings verwanzt – mit Bettwanzen. Nach Vertragsabschluss wird das ganze Haus wegen des Ungeziefers vernebelt und grob gereinigt. Innerhalb von 48 Stunden, knapp vor dem ersten großen Schneefall gelingt es, das Haus zu besiedeln. Innerhalb von 24 Stunden ist das Haus besiedelt und voll belegt. 23 BewohnerInnen – ArmutsmigrantInnen aus Rumänien, die bis dato im og. Autobahnbereich nächtigten, sind jetzt im Haus. Aufge­nom­­men konnten nur die Leute  werden, die unter keiner Suchtproblematik leiden. Problematisch ist die Beheizung der Räumlichkeiten: es muss elek­trisch beheizt werden – die Sicherungen haben beschränkte Kapazitäten.

Begleitete Selbstverwaltung

Am 23. 11. 2023 startet eine Notschlafstelle in Selbstverwaltung. Verpflichtend ist die Teilnahme an der wöchentlichen Hausversammlung – jeden Frei­tag um 17.00 Uhr. Die BewohnerInnen bestreiten die Stromkosten und verpflichten sich für diverse Hausarbeiten, wie: Schneeräumung, Räumung der Kellerabteile, Abriss eines Schuppens u. a. m. Die Hausarbeiten finden am Samstagnachmittag statt. Bis auf die älteren Leute und die Kin­der beteiligen sich alle selbst­verständlich und mit großem Einsatz. Vier weitere MitarbeiterInnen der Vinzenzgemeinschaft beteiligen sich von Anfang an. Sie verpflichten sich, die Notschlafstelle zu begleiten.

Hausversammlungen

Freitag 1. Dezember, 17.00 Uhr: Im Versammlungsraum befinden sich alle BewohnerInnen. Jede/r stellt sich vor, stellt ein Namensschildchen vor sich auf – wir sprechen uns mit Namen an. In der ersten Sitzung werden Alltagsprobleme besprochen: Kapazität der Sicherungen, Sicherheit und Schlüs­sel, Raucherzonen, Parkmöglichkeiten, Regeln des Respekts, gemeinsames Ausfüllen der Meldezettel u. a. m. Zwei Frauen, die relativ gut deutsch sprechen, die auch schreiben können, helfen beim Ausfüllen der Formulare. Manche sind sehr froh, dass sie endlich einen legalen Neben­wohn­sitz haben. Wir tauschen unsere Telefonnum­mern aus: hiermit gibt es eine Whatsappgruppe der Notschlafstelle. Wir einigen uns auf eine schnel­le und transparente Information – egal, ob es Probleme gibt oder ob es Feste zu feiern gibt. 

An den folgenden Freitagen werden auch regelmäßig die Geburtstage gefeiert: Meist wird ein Geburtstagskuchen gebracht, die Kerzen werden ent­zündet, Geburtstagslieder gesungen: auf Ungarisch, auf Rumänisch und auch auf Deutsch. Auffallend: es wird wirklich sehr viel gelacht, auch manch­mal geblödelt und gescherzt. Auf­fallend dazu: immer kommen alle zur Hausversammlung – nicht nur weil man muss, sondern weil es auch lustig zugeht.

Fortbildung für Roma und Nicht­roma (Gadje)

Schon bei der zweiten Versammlung geht es um die Frage, was denn überhaupt Roma/Romnja sind. Die Leute erzählen auch vom Leben in Ru­mä­nien. Die Nichtroma (die Weißen, die „Gadje“) erhalten insofern ein erstes Fortbildungsprogramm über Identitätsfragen der Roma. Die anwesenden Roma staunen wiederum, als sie davon erfahren, dass es in Tirol ca. 800 Roma gibt, dass viele serbische Roma in Tirol, als Mechaniker, Auto­händler tätig sind, dass es sogar die Jenischen gibt – die noch Jenisch reden. Die Versammlung wird zu einem Fortbildungsprogramm für alle – für Roma und „Gadje“.

Sorgen und Freuden

Weiterer fixer Bestandteil dreht sich um die Frage: was ist in dieser Woche gut gelaufen, was war positiv und was ist danebengegangen, was war traurig. Es kommen Erlebnisse ans Tageslicht, kleine Erfolge, wie z. B.: ein guter Standplatz zum Zeitungsverkauf, erhaltene Geschenke, Gesundheit u. a. m;  auch von  Enttäuschungen wird erzählt: z. B.: Vertreibungen, wenig Zeitungsverkauf,  Krankheiten, Kreislaufprobleme, fehlende Medika­men­te,  anfallende Strafen wegen Schwarzfahrten, offene Klinikrechnungen.

Lösungsansätze

Eine Teilnehmerin, Frau K. verspricht einer Frau bei einem Strafmandat wegen Schwarzfahrt zu helfen: der gemeinsame Gang zur Kassa zeigt auf, dass weder Strafnachlass noch Betragsminderung möglich sei. Frau K. hilft, zahlt € 70,00. Die Kassafrau eröffnete dann, dass noch 3 Strafen offen seien. Was tun? Andere kommen mit offenen Klinikrechnungen u. a. m. Wir stellen fest: ein Fass ohne Boden. Wer soll das bezahlen? Wir denken ge­meinsam nach, wo Lösungsansätze liegen könnten – wohl in der Vermeidung von Schwarzfahrten.

Klinikrechnungen zahlen? Besser wäre es wohl, in den Besitz einer e-card zu kommen. Die bekommt man nur, wenn man einer angemeldeten Arbeit nachgeht. Das wird übrigens zu einem Dauerthema der Freitagsrunde. Wir erfahren auch viele Hintergründe, warum viele nicht einer „richtigen“ (d. h. angemeldet, beitragspflichtig, 5 Wochen Urlaub usw.) Arbeit nachgehen wollen. Einige fühlen sich zu alt oder zu krank, andere können zu we­nig deutsch, aber ein Hauptgrund gilt für die meisten: viele wollen zu verschiedensten Gelegenheiten schnell und unkompliziert wieder heim­fah­ren können. Eine Gruppe von 5 Leuten verabschiedet sich am selben Abend – sie müssten zur kranken Großmutter, sie läge im Sterben. Sie fahren heim, besuchen die Großmutter, bleiben noch zum Begräbnis und kehren nach 10 Tagen wieder zurück in die Notschlafstelle.

Die Versammlungen sind Fortbildungen. Gar manche fragen sich, ir­gendwie konkret zu helfen, konkret was beizutragen, allzu schwer ist es (mit an­fänglichen Ausnah­men) auf Kleiderweitergabe, Spenden, gute Gaben zu verzichten und einfach der Präsenz dem einfachen Dasein einen zen­tra­len Wert zuzumessen. Die Leute danken es, wenn auch die MitarbeiterInnen der Vinzenzgemeinschaft da sind. Fehlt jemand, wird sofort nach­ge­fragt. Präsenz ist wichtiger als Assistenz. Der Verzicht auf assistentialistische Sozialarbeit fördert neue Ansätze einer befreienden Sozialarbeit.

Aspekte einer  selbstverwalteten bzw. verwalteten Sozialarbeit

Auch für viele Profis der Sozialarbeit neu: eine derartige Notschlafstelle basiert auf einer Arbeit mit dem Kollektiv. Im Vordergrund stehen nicht die mehrheitlich betriebenen Einzelberatungen, sondern vielmehr die Arbeit im und mit den Klans, in und mit der Gruppe. Zudem gilt hier ein  hoher Grad von Selbstverantwortung der NotschlafstellenbewohnerInnen. Es ist ein Versuch von Selbstverwaltung als Alternative zur verwalteten Sozial­ar­beit, die es manchmal braucht, aber nicht immer. Eine vergleichbare verwaltete Sozialeinrichtung (Notschlafstelle) bräuchte 2 - 3 Sozialarbei­terIn­nen/Vollzeit, 4 Securities/Vollzeit, Genehmigungen der Baubehörde, Feuerpolizei, Subventionen u. a. m. Manchmal braucht es das, aber nicht im­mer und nicht für alle Menschen. Prinzipiell ist es auch möglich und zielführender ArmutsmigrantInnen als Subjekte, als Akteure, als Gestalter, ja auch als Lehrmeister zu betrachten. Die beschriebene Not­schlaf­stel­le ist nur ein Versuch – keinesfalls perfekt, aber ein Versuch.

Notschlafstelle und Religion

Zu guter Letzt:  in der Notschlafstelle wird auch eine religiöse Dimension gepflegt. Wir gedenken der Verstorbenen. Alle meinen, dass sie nun bei Gott seien. Sie meinen auch, dass man auf Gott vertrauen sollte. Als wir dann ein Gebet, ein „Amen“ anstimmen, singen alle dankbar mit, in einer Stim­me mit verschiedenen Traditionen. Evangelisch, orthodox, freikirchlich, katholisch oder einfach da. Wir werden das Gebet weiter pflegen, hell­hörig und herzlich im Sinne und im Stil der TeilnehmerInnen. Wir werden irgendwie Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern feiern. Bald gibt es dann ein Abschiedsfest mit Kesselgulasch, Sarmale und viel Tanz – dann, wenn wir das Haus verlassen müs­sen und neue Bleibe suchen, ein biss­chen gelobtes Land. Wo viel geweint wird, muss umso mehr getanzt werden.

Dr. Josef (Jussuf) Windischer, geboren am 12. 8. 1947 in Innsbruck, Studium der katholischen Theologie. Religionslehrer, Leiter mehrerer Sozialprojekte in Tirol, Entwicklungshilfeeinsätze in Zimbabwe und Brasilien, Gefängnis- und Ausländerseelsorger in Tirol, Generalsekretär von Pax Christi Österreich (2011 – 16), seit 2012 Obmann der Vinzenzgemeinschaft in Tirol sowie Gründer und Leiter des Vinziprojekts „Waldhüttl“ (http://www.waldhuettl.at). Jussuf Windischer ist auch AKC-Vorstandsmitglied.