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KRITISCHES CHRISTENTUM

 

Nr. 486/487                                                      März/April 2025

 

 

KONFERENZ ÜBER STEUERGERECHTIGKEIT UND SOLIDARITÄT IM VATIKAN

Dutzende von Vertretern nationaler Regierungen und internationaler Organisationen kamen am 13. Februar im Vatikan zu einem hochrangigen Dialog über „Steuergerechtigkeit und Solidarität – Auf dem Weg zu einem inklusiven und nachhaltigen gemeinsamen Haus" zusammen. Die von der Päpstlichen Akademie der Sozialwissen­schaf­ten (PASS) gemeinsam mit der Unabhängigen Kommission zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT)  organisierte Konferenz untersuchte die Art und Weise, wie das heutige internationale Steuersystem die weltweite Ungleichheit fördert. In seiner Er­öffnungsrede betonte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die Notwendigkeit von „Rechtsstaatlichkeit, Unparteilichkeit und Transparenz“ in der Steuerpolitik – Werte, die Papst Franziskus als entscheidend ansieht, um globale Ungleichheiten zu überwinden.

Die Kernaussage der Konferenz war klar: Das derzeitige globale Steuersystem ist nicht mehr zeitgemäß. Es begünstigt multinationale Konzerne, vertieft soziale Ungleichheiten und erleichtert es den Wohlhabendsten, ihre Macht zu festigen. „Steuern müssen dem Gemein­wohl dienen und gerecht erhoben werden“, mahnte Kardinal Pietro Parolin. Doch diese Forderung sei nicht neu – ihre Umsetzung jedoch nach wie vor schwierig. Wie die Präsidentin der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften (PASS), Schwester Helen Alford, betonte, sei das internationale Steuersystem über 100 Jahre alt und nicht in der Lage, die Herausforderungen einer hochgradig globalisierten Welt zu bewältigen.

In den Diskussionen wurde die moralische Notwendigkeit einer gerechten Besteuerung hervorgehoben, wenn es darum geht, wirtschaftliche Ungleichheit, Klimawandel und die Schuldenlast der schwächsten Länder der Welt zu bekämpfen. Athena Peralta, Direktorin der Weltkirchenrats-Kommission für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung, betonte in ihren Ausführungen, dass es dringend notwendig sei, Steuer-Ungerechtigkeit als einen Faktor zu bekämpfen, der zum Klimawandel und zu sozialer Ungleichheit beiträgt.

Das skandalöse Ausmaß der Ungleichheit, das wir heute erleben, destabilisiert auch die Bemühungen, den außer Kontrolle geratenen Klimawandel zu bekämpfen. Die reichsten 10 % der Welt sind für fast die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Der Lebensstil der Milliardäre – Privatjets, Yachten – verursacht tausendmal mehr Emissionen als der Durchschnittsbürger. Ihr CO2-Fußabdruck ist jedoch über eine Million Mal höher, wenn wir die Emissionen aus ihren Investitionen mit einbeziehen. Steuergerechtigkeit muss Teil der Lösung der Klimakrise sein“, betonte die Vertreterin des Ökumenischen Rates der Kirchen.

Die Redner auf der Veranstaltung verurteilten die aktuellen „Strukturen der Sünde“ – Steueroasen und Schlupflöcher im Finanzsektor –, die es Konzernen und Superreichen ermöglichten, sich vor der Zahlung ihres gerechten Anteils an Steuern zu drücken.

Hochkarätige Teilnehmer diskutieren die Steuer-Ungerechtigkeit

Zu den prominenten Rednern der Tagung zählten Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Spaniens Premierminister Pedro Sánchez und der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki.

Lula da Silva sagte in seiner Rede u. a.: „Gerechtigkeit und Solidarität sind für eine inklusive und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung von zentraler Bedeutung. Dies ist besonders wichtig in einer Welt, die in den letzten Jahren erhebliche Rückschläge erlebt hat. Der Frieden ist in mehreren Teilen des Planeten bedroht. Die Demokra­tie erlebt derzeit ihren kritischsten Moment seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Ungleichheit zwischen den Reichsten und den Ärmsten hat deutlich zugenommen. Das Vermögen der Milliardäre ist im Jahr 2024 um 2 Billionen US-Dollar gestiegen, dreimal schneller als im Jahr 2023. Gleichzeitig sind 60 % der Menschheit immer noch von Armut betroffen. Die Superreichen zahlen proportional viel weniger Steuern als die Arbeiterklasse.“

Sánchez erklärte: „Wir müssen auf dem Durchbruch des letzten Jahres aufbauen, was die wirksame Besteuerung der Superreichen angeht. Unter Brasiliens G20-Präsidentschaft haben wir diesen Meilenstein erreicht, indem wir das Thema auf die globale Bühne gebracht haben. (…) Wenn Milliardäre proportional weniger Steuern zahlen als normale Bürger, erodiert das öffentliche Vertrauen und die Ungleichheit vertieft sich. Zweitens müssen wir uns konstruktiv an den Verhandlungen über ein UN-Übereinkommen über internationale Steuerkooperation beteiligen. Und drittens müssen wir sicherstellen, dass Unternehmensriesen, unabhängig von ihrem Sitzland, dort Steuern zahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften.“

Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger 2001 und Co-Vorsitzender der Unabhängigen Kommission zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) erläuterte, wie das Steuer­wesen globale Ungleichheiten verstärkt. Er verwies auf das Konzept der „unsichtbaren Hand“ von Adam Smith, die besagt, dass das Streben nach eigenem Nutzen dem Gemeinwohl dient – ein Prinzip, das jedoch von vielen Unternehmen missbraucht werde. „Firmen profitieren von staatlicher Infrastruktur und Rechtssicherheit, ohne ihren fairen Anteil an Steuern zu leisten“, kritisierte Stiglitz. Wörtlich sagte er u. a.: „Gerechte Besteuerung und Ungleichheit sind nicht nur eine Frage wirtschaftlicher Ineffizienz, sondern auch eine Frage der Moral. Deshalb ist es so angebracht, dass wir sie hier diskutieren, und ich begrüße die Rolle des Papstes als moralische Autorität in einer Welt, in der einige unserer Führungspersönlichkeiten genau in die entgegengesetzte Richtung gehen… Wir alle sind besorgt über die Entwicklungen in den USA, einschließlich des Rückzugs der USA aus den laufenden Diskussionen im Rahmen des [UN-]Steuerübereinkommens... In der Vergangenheit haben die USA bei Verhandlungen sehr hart im Interesse der multinationalen Konzerne und der Technologiegiganten verhandelt. Und dann erzwingen sie einen Kompromiss ... sie verwässern das Abkommen, sodass man ein immer schwächeres Abkommen erhält. Und dann weigern sich die Vereinigten Staaten, das Abkommen zu unterzeichnen oder zu ratifizieren. Sie bringen also den Rest der Welt dazu, ein schwaches Abkommen zu verabschieden, und beteiligen sich dann selbst nicht daran. Es ist also kein Geheimnis mehr, dass die Vereinigten Staaten nicht verhandeln werden. Der Rest der Welt muss zusammenarbeiten, um ein Abkommen auszuhandeln.

Eine Welt im Wandel – aber ohne soziale Gerechtigkeit?

Die Konferenz warf auch tiefere geo­politische Fragen auf: Welche Rolle spielen universelle Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit in einer Welt, die von wachsenden Span­nungen und zunehmendem Individualismus geprägt ist? Die geopolitische Überdehnung der USA sowie die wirtschaftliche Stagnation Europas zeigen, dass der Westen mit internen Krisen kämpft – und dabei das globale Gleichgewicht aus dem Blick verliert.

Trotz vieler offener Fragen machte die Tagung im Vatikan eines deutlich: Ohne eine umfassende Steuerreform werden sich soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten weiter verschärfen. Wie Papst Franziskus bereits 2022 betonte, sind Steuern ein Schlüssel, um „Ungleichheiten zu überwinden, Arbeitsplätze zu schaffen, Gesundheit und Bildung für alle zu garantieren und Infrastruktur für eine gerechtere Gesellschaft zu errichten“. Die Diskussionen im Vatikan verstand sich somit als ein Weckruf für eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft.­

Quellen: Vatican News (vaticannews.va); Tax Justice Network (taxjustice.net); World Council of Churches (oikumene.org); Icrict (icrict.com).

 

TRUMPS KRIEG GEGEN DIE MIGRANTEN

Ein Gespräch mit dem mexikanischen Migrationspriester Alejandro Solalinde

von Leo Gabriel *)

Der heute 80-jährige Vorkämpfer für die Rechte der MigrantInnen ist nach einem Jahrzehnt dauernden Auseinandersetzung mit dem mexikanischen Establishment in einen Konflikt eingetreten, den er als „Krieg der Reichsten gegen die Ärmsten“ bezeichnet. Bereits in den 1970er Jahren hat er sich für die Millionen von mexikanischen Arbeiterinnen eingesetzt, die unter teilweise lebensbedrohlichen Umständen durch den Grenzfluss Rio Bravo geschwommen sind, um in die USA zu gelangen. Dabei war er selbst mehreren Mordanschlägen von Großgrundbesitzern und deren mafiösen Banden nur knapp entgangen. Aber auch der erzkonservativen katholischen Kirchenhierarchie war er wegen seiner kritischen Haltung stets ein Dorn im Auge, was ihm regelrechte Verleumdungskampagnen eintrug.

Nach seiner Rückkehr aus dem Exil in den USA gründete er unter dem Namen Hermanos en el Camino ein Schutzhaus für MigrantInnen in Ixtepec, Oaxaca, in dem auch viele Flüchtlinge aus Zentralamerika für einige Tage (manchmal auch Wochen) Unterschlupf finden konnten. Dieses Haus bildete den Ausgangspunkt für ein ganzes Netzwerk von Refugien, die an der Grenze von Mexiko zu den USA von Ordensgeistlichen verschiedener Provenienz errichtet wurden.

Als 2018 der linksliberale Andres Manuel López Obrador zum Präsidenten Mexikos gewählt wurde, zählte Solalinde, der nie ein öffentliches Amt bekleidet hat, zu den engsten Vertrauten des Präsidenten. Aber auch international fand seine Arbeit große Anerkennung. Im Jahr 2020 kam er sogar in die en­gere Auswahl für den Friedensnobelpreis.

Leo Gabriel: Padre Solalinde, wie fühlen Sie sich in diesen schwierigen Zeiten? Ist das, was derzeit mit den Migranten passiert, eine neue Situation oder hat es das immer schon gegeben, nur dass die Weltöffentlichkeit mehr davon mitbekommt?

Alejandro Solalinde: Die Repres­sion und den Rassismus gegen die Migrantinnen und Migranten und den damit verbundenen Druck der USA auf Mexiko hat es in den letzten Jahrzehnten immer schon gegeben. Neu ist allerdings, dass es jetzt einen richtigen Krieg gibt, einen Krieg, den die reichsten Millionäre gegen die Ärmsten führen; denn die Ärmsten der Armen sind nun einmal die Migrantinnen und Migranten.

L G: Mit welchen Methoden füh­ren sie diesen Krieg?

A. S.: Trump setzt jetzt sogar die US-Armee ein, um die Grenzen von Guatemala und Mexiko zu blockieren. Dabei kümmert es ihn wenig, dass das zum Nachteil der US-Konzerne, der sogenannten Maquiladoras geschieht. Ihn interessiert nur die Show, die Propaganda, die er damit verbindet.

L. G.: Aber erreicht er damit sein Ziel, die Grenze total zu schließen? 

A. S.: Total wahrscheinlich nicht, aber zu 90 Prozent. Bereits jetzt hat er erreicht, dass sich der Flüchtlingsstrom um 80 Prozent reduziert hat. Die anderen 20 Prozent bleiben an der Grenze hängen oder verlieren sich irgendwo in Mexiko.

L. G.: Die Migranten haben also verstanden, dass es nicht geht?

A. S.: Die Mehrheit von ihnen hat verstanden, dass das nicht geht. Aber nur etwa 10 Prozent gehen an die Orte zurück, woher sie gekommen sind. Die anderen bleiben in Mexiko und wissen nicht, was sie tun sollen. Viele hoffen auf ein Wunder, dass es irgendwann wieder möglich sein wird, in die USA zu gelangen. In der Zwischenzeit suchen sie sich irgendeine Arbeit in Mexiko, wo sie die Regierung teilweise unterstützt.

L. G.: Auch in Ihrer Herberge, die Sie in Oaxaca für die MigrantInnen aufgebaut haben?

A. S.: Weniger. Viele gehen in den Norden, wo jetzt so genannte „Entwicklungspole“ eingerichtet wurden, wo sie zwar nicht soviel verdienen wie in den USA, aber immerhin doppelt so viel wie sie normalerweise in Mexiko verdienen. Das sind Zehntausende, die allein in Tijuana arbeiten, wo es viele Maquiladoras gibt.

L. G.: Das ist wahrscheinlich nur provisorisch, solange sie auf ihre Visa warten, die jetzt nicht mehr ausgestellt werden. Aber was ist die Lösung, wenn das nicht mehr geht? In ihre Heimatorte zurückkehren oder in Mexiko bleiben?

A. S.: Es ist auf alle Fälle besser, wenn sie in Mexiko bleiben. Hier gibt es Schulen für die Kinder, Spitäler für die Kranken und eine wenn auch kleine Pension für die Alten.

L. G.: Und was machen Sie, damit die Migrantinnen und Migranten das einsehen und in Mexiko bleiben?

A. S.: Das ist nicht leicht. Denn es ist, als wenn sie einen „chip“ im Kopf haben, der sie in den Norden zieht. Ich verstehe ja, dass sie es zu Hause nicht mehr ausgehalten haben, wegen der Lebensumstände und der tagtäglichen Gewalt, der sie ausgesetzt sind. Aber sie verstehen oft nicht, was sie in den USA erwartet, selbst dann, wenn sie es unter dem Einsatz ihres Lebens schaffen, den Rio Bravo zu überqueren. Dort gibt es nämlich in der Zwischenzeit eine richtige Hexenjagd auf die so genannten „Illegalen“.

L. G.: Haben Sie den Eindruck, dass die MigrantInnen Ihnen mehr glauben als der Regierung, weil Sie Priester sind?

A. S.: Sie haben einen großen Respekt vor mir, aber ich habe den Eindruck, dass sie die USA mehr lieben als den lieben Gott. Aber das ändert sich jetzt eben.

L. G.: Glauben Sie, dass es wegen dem Problem mit der Migration zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, ja sogar zu einem Krieg kommen könnte?

A. S.: Das glaube ich nicht. Unsere Präsidentin Claudia Sheinbaum hat sich seit Ihrem Amtsantritt sehr klug verhalten. Sie hat akzeptiert, dass die Nationalgarde die Grenze bewacht, als Trump seine Soldaten zur „Grenzsicherung“ auf mexikanisches Territorium schicken wollte.

Aber es geht um mehr; es handelt sich um die Auseinandersetzung von zwei unterschiedlichen Systemen: zwischen einem gefräßigen Kapitalismus und einem humanitären Kapitalismus. Mexiko hat ein tief verwurzeltes plurikulturelles Erbe, das den Armen einen religiösen und gesetzlichen Rückhalt gibt. Der unipersonale Stil von Trump wird vorübergehen, aber die menschenverachtende Oligarchie wird bleiben.

Mexiko hat keine Angst vor der Masse von Migrantinnen und Migranten, die noch kommen werden. Wenn es notwendig ist, könnten wir ganz Zentralamerika aufnehmen. Hier gibt es Platz für alle!

*) Dr. Leo Gabriel, geb. 1945, ist Journalist, Filmemacher und Sozialanthropologe, international anerkannter Lateinmerikaexperte und Mitglied des Internationalen Rates des Weltsozialforums. Gabriel war von 1985 bis 2005 Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Zeitgenössische Lateinamerikaforschung in Wien.

 

BUCHTIPP

Eva Pipan / Franz Sieder (Hrsg.): ARBEITER­PRIESTER, Symbol für eine andere Kirche. Selbstverlag Amstetten 2024. 100 Seiten, € 4,55 (zzgl. Versandkosten)

Eva Pipan, geb.1956, ehemalige Mitarbeiterin der Katholischen Arbeiterjugend und der Betriebsseelsorge, und Franz Sieder, geb.1938, selbst Jahrzehnte in der Arbeiter- bzw. Betriebsseelsorge tätig (darunter 11 Jahre als Diözesan- und 7 Jahre als Nationalkaplan der Katholischen Arbeiterjugend sowie 40 Jahre als Betriebsseelsorger für das Mostviertel in Niederösterreich), wollen mit diesem Büchlein nicht nur die Bewegung der französischen Arbeiterpriester in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg, sondern auch die katholische Arbeiter- und Betriebsseelsorge in der Diözese St. Pölten  dokumentieren. Entsprechend dem Untertitel „Symbol für eine andere Kirche“ wird der Band durch eine Dokumentation und Analyse des „Katakombenpaktes“ zum Abschluss des II. Vatikanischen Konzils 1965 ergänzt.

Auf den ersten 40 Seiten sind Zeugnisse französischer Arbeiterpriester aus den 1980er Jahren abgedruckt, die einen Einblick in die Entstehung dieser Bewegung geben und die persönlichen Erfahrungen der Betroffenen sowohl in der Arbeitswelt als auch in der Kirche. Sie zeigen auch die Entwicklung von der ursprünglichen Idee der „Arbeitermission“ (also der Entsendung von Priestern in die als feindlich empfundene Arbeitswelt) zur bewussten Identifikation mit der Arbeiterbewegung auf. Am Beispiel einer Audienz bei Papst Pius XII. wird auch die völlige Ignoranz der damaligen Kirchenführung für die Arbeiterpriester deutlich, die auch zum offiziellen Verbot dieser Bewegung durch den Vatikan führte. In Frankreich gab es allerdings einige Bischöfe, die diese Bewegung unterstützt haben.

Henri Bourdereau, ein Arbeiterpriester aus Paris, zitiert einen Arbeiter: „Für mich gibt es einen Unterschied zwischen dem traditionellen Priester und dem Arbeiterpriester. Es stimmt, die Arbeiterpriester wollen die Botschaft von Jesus verbreiten; es stimmt, dass sie auf ihre Art das Evangelium leben. Aber sie kommen nie mit der Bibel daher, um uns zu belehren. Sie fügen sich ein in die Stadt, in die Fabrik, in die Art des Arbeiten und des Denkens. Und wenn es manchmal zu Fragen kommt, zu philosophischen oder ideologischen, geht er von meinem Leben und meiner Erfahrung aus, wenn er sich mit diesen Fragen befasst.“ (S 22)

Und aus der Sicht eines Arbeiterpriesters schreibt Yves Sauvaget: „Genau wir unsere Kollegen müssen wir einfach kämpfen. Jeden Morgen an der Stechuhr stelle ich fest, dass die Demokratie, von der man so viel redet, hinter den Schranken meiner Fabrik aufhört. Hier sind wir Ausführende im Dienst des Profits für den Profit, der Leistung für die Leistung. Jeder steht unter Druck, der Arbeiter, der Abteilungsleiter und der Chef. Wir sind keine Men­schen mehr, son­dern Sklaven des Profits.“ (S 34).

Nach den persönlichen Beiträgen französischer Arbei­ter­priester folgt ein Beitrag des Pastoraltheologen Christian Bauer von der Universität Münster, der einen kurzen Überblick über die Geschichte der französischen Arbeiterpriester-Bewegung und der damit verbundenen innerkirchlichen Konflikte gibt (S 40 ff.). Bauer beschreibt, wie durch die Arbeiterpriester auch ein neues Verständnis von Mission in der Kirche entstanden ist: „Nicht sie bringen den Arbeitern das Evangelium, sondern diese lehren sie, das Evangelium überhaupt erst zu verstehen. Nicht sie bekehren die Arbeiter:innen zur Kirche, sondern diese bekehren sie zum Glauben.“ (S 44). Unter Pius XII. war allerdings ein solches Verständnis von Mission undenkbar – erst nach dem II. Vatikanischen Konzil konnte es sich in der Kirche durchsetzen.

Im nächsten Beitrag befasst sich Franz Sieder mit den französischen Arbeiterpriestern und deren Spiritualität (S 52 ff. – es ist ein Referat, das Sieder 2013 bei einer Dekanats-Priesterkonferenz gehalten hat). Dann werden aus der Diözese St. Pölten die ehemaligen Arbeiterpriester Rudolf Wimhofer und Josef Gaupmann sowie Ordensleute in der Arbeitswelt (darunter namentlich P. Karl Helmreich) vorgestellt (S 62 ff.).

Das Büchlein bringt auch den Text des Katakombenpakts „Für eine dienende und arme Kirche“, den 40 Bischöfe am 16. November 1965 zum Abschluss des II. Vatikanischen Konzils in Form von 13 Selbstverpflichtungen veröffentlicht haben und dem sich danach über 500 Bischöfe weltweit angeschlossen haben (S 66 ff.). Norbert Arntz, katholischer Priester und Befreiungstheologe in Deutschland, der selbst mehrere Jahre in Lateinamerika tätig war, analysiert den Text und dessen Bedeutung für die katholische Kirche (S 70 ff.). In diesem 2015 in der Zeitschrift „Stimmen zur Zeit“ erstmals veröffentlichten Beitrag sieht Arntz im Katakombenpakt die „Kündigung des Konstantinischen Paktes“: „Das Konzil hatte begonnen, die Bastionen zu schleifen. Der Katakombenpakt hat durch seine Nah- und Fernwirkungen die Festungsmauern des konstantinischen Paktes entschiedener eingerissen.“

„Mein Vaterunser“ des französischen Arbeiterpriesters J. R. Rouze sowie „Mein persönliches Glaubensbekenntnis“ von Franz Sieder runden dieses Büchlein ab.

Adalbert Krims

 

Bestelladressen: Eva Pipan, Krenntal 10, 3130 Herzogenburg.

E-mail: regenbogen56@gmx.at

oder Franz Sieder, Dammstraße 36, 3300 Amstetten.